Wieck-Schumann-Portrait

 

Unterschrift von Clara Schumann

 

1819-1896

 

1819

Am 13. September bekommen Marianne und Friedrich Wieck in Leipzig (= Leipsic*) eine Tochter, die bei der Taufe die Namen Clara Josephine erhält. Sie ist das zweite Kind des Paares; das erste, Adelheid, war noch war im Jahre zuvor als Kleinkind verstorben. Der Vater hat Theologie studiert, ist aber jetzt ein gefragter Klavierlehrer und betreibt eine Musikalienhandlung mit Erfolg. Die Mutter (geborene Tromlitz) war seine erste Schülerin; sie ist eine hervorragende Pianistin und grosse Hilfe im Geschäft. Schon länger hat sie Schwierigkeiten mit ihrem schroffen, reizbaren und jähzornigen Ehemann.

* Die farbig markierten Städtenamen findet man auf der nebenstehenden zeitgenössischen Karte.

1824

Clara ist vier Jahre alt und hat noch drei Brüderchen bekommen. Die Eltern trennen sich; nach dem damaligen Gesetz behält der Vater das Sorgerecht für die Kinder. Friedrich Wieck gestattet der Mutter grosszügig, den Säugling zu ihren Eltern in Plauen mitzunehmen, und er lässt ihr auch Clara noch ein paar Monate, bis zu ihrem fünften Geburtstag im September.

1825

Im Januar wird die Scheidung offiziell ausgesprochen; im August heiratet Marianne den 13 Jahre älteren Klavierlehrer Adolph Bargiel und nimmt eine Wohnung in der Nähe von Leipzig, um ihre Kinder häufiger sehen zu können. Die drei kleinen Söhne, erst vier, zwei und ein Jahr alt, sind in einer Pension untergebracht.

Clara lebt also jetzt bei ihrem Vater. Sie spricht nicht und gilt als »langsam« aber sie spielt sehr gerne kleine Melodien auf dem Klavier, nach dem Gehör und sofort richtig. Vater Friedrich schreibt in das von ihm selbst geführte Tagebuch Claras, dass auch er als kleiner Junge Schwierigkeiten mit der Sprache hatte. Er hofft, bei Clara seine pädagogischen Vorstellungen zu realisieren und ihr musikalisches Talent zu einer grossen Karriere zu entwickeln. Dabei geht er sehr streng vor: ab diesem fünften Lebensjahr hat sie täglich eine Stunde Klavierunterricht und muss zwei Stunden üben.

Vater Friedrich ist ein strenger Lehrmeister und spart nicht mit Tadel. Es hilft der kleinen Clara, dass sie selbst viel Freude an Musik hat. Wie sie sich erinnert, erreicht sie bald einen »gefühlvollen« Anschlag, der später immer wieder gerühmt wird.

1826

Clara besucht eine angesehene Privatschule, allerdings nur die erste Klasse. Zuhause wird dann ihr Unterrichtspensum ungewöhnlich belastend: ein Hauslehrer für Sprachen, der Thomaskantor für Musiktheorie, der Leiter der Leipziger Oper für Kompositionslehre, zusätzlich Gesang- und Violinstunden. Die wohl psychisch bedingte Sprachhemmung ist verschwunden.

Der alte Wieck ist dabei, Clara nach seinen Vorstellungen zu einer Künstlerin am Piano zu formen.

1827

Victor, das jüngste Brüderchen Claras, stirbt noch vor seinem dritten Geburtstag.

1828

Friedrich Wieck heiratet im Frühjahr die zwanzig Jahre jüngere Clementine Fechner; die neue Familie zieht in ein grösseres Haus.

Einen Monat nach ihrem 9. Geburtstag spielt Clara zum ersten Mal vor einem Publikum, mit einer etwas älteren Freundin einen Marsch zu vier Händen von Friedrich Kalkbrenner. Die Vorstellung der beiden Schülerinnen Friedrich Wiecks im Gewandhaus ist ein grosser Erfolg, wie die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung schreibt.

1829

Der berühmte »Teufelsgeiger« Niccolò Paganini gastiert in Leipzig; Clara spielt ihm eine eigene Komposition vor, eine von vier Polonaisen [op 1*], und dann ein paar Tage später noch einmal, grosse Ehre, vierhändig mit dem Vater Variationen auf ein Thema Paganinis, das Werk eines Dresdner Freundes.

* Die Nummerierung der Werke von Clara Wieck-Schumann folgt dem unten genannten Verzeichnis von Paul-August Koch.

Das Haus des Musikalienhändlers Wieck wird zum Treffpunkt der an Musik interessierten haute volée von Leipzig, und dazu trägt der wachsende Ruf der kleinen Klaviervirtuosin Clara wesentlich bei. Der junge Jurastudent Robert Schumann hört, wie sie dort am 23. Dezember mit ihrem Vater zu vier Händen Carl Czernys Rondeau mignon spielt; er ist beeindruckt von ihrem Können.

1830

Der ehrgeizige Wieck nutzt die Gunst der Stunde und reist mit der Tochter nach Dresden. Die nächste Phase ihrer Ausbildung beginnt. Der königliche Hofmedicus Carl Gustav Carus setzt sich in seinem weiten Bekanntenkreis für das Wunderkind ein; sie brilliert wie schon gewohnt, offenbar ohne Lampenfieber oder Scheu vor den grossen Namen im Publikum. Mit einem Koffer voller Geschenke kehren die Wiecks wieder nach Leipzig zurück.

Der grosse Schritt in die Karriere als Pianistin ist für Clara ein Konzert im Leipziger Gewandhaus im November, das sie ganz alleine bestreitet. Sie trägt eigene Kompositionen vor sowie Werke zeitgenössischer Komponisten und erhält den schon gewohnten rauschenden Beifall.

Ab jetzt folgt ein Konzert dem anderen, eigentlich ein strapaziöses Leben, aber die kleine schlanke Clara steht in Ehrgeiz ihrem Impresario-Vater nicht nach; anscheinend beschwert sie sich auch nicht.

Robert Schumanns Mutter fragt bei Friedrich Wieck an, ob ihr Sohn das Zeug zum Pianisten habe, weil er sein Jura-Studium in Heidelberg aufgeben wolle. Wieck verspricht grossspurig, ihn in drei Jahren zu einem Virtuosen auszubilden, vorausgesetzt er könne seine Phantasie zügeln. Die Mutter und Roberts Vormund geben daraufhin das Geld seiner väterlichen Erbschaft frei zum Klavierstudium bei Wieck

Robert Schumann nimmt zwei Zimmer im grossen Haus der Wiecks, spielt den ganzen Tag Klavier, trägt romantische Sehnsucht nach mehreren jungen Frauen der Umgebung in sich, betört mit der Nocturne von Chopin und mit eigenen Kompositionen. Clara, jetzt bald 12 Jahre alt, behandelt er zuerst als das Kind, das sie ist, aber wie seine Bewunderung für sie wächst, für ihr Spiel, ihre Improvisationskunst und ihr phänomenales musikalisches Gedächtnis, so entwickeln sich langsam auch zartere Gefühle.

1831

Im September begeben sich Clara und der Vater auf eine längere Konzertreise über mehrere deutsche Städte bis nach Paris. In Weimar spielt Clara im Haus des alten Geheimrats Johann Wolfgang von Goethe, der lobend über sie schreibt, aber eher verhalten im Vergleich zu seiner Reaktion auf den Auftritt Felix Mendelssohns bei ihm zehn Jahre zuvor. Es folgen Konzerte in Erfurt, Kassel (Cassel), Gotha, Frankfurt/Main und Darmstadt. Das Reisen ist sehr anstrengend, die langen Fahrten in unbequemen öffentlichen Kutschen (nur etwa 60-80 km am Tage) wie auch die schmutzigen Unterkünfte, über die sich Wieck in seinem Tagebuch öfters beschwert. Eine arge Kälte herrscht in diesem Winter; Clara kommt wegen der schlecht geheizten Räume kaum zum Üben auf dem winzigen tragbaren Tasteninstrument, einer Physharmonica , das sie auf der Reise bei sich hat.

Viele sogenannte Wunderkinder sind in diesen Zeiten auf Tournée, aber das Publikum ist anscheinend müde, aufgeputzte und dressierte Kinder zu sehen, die eingeprügelte kleine Stückchen vorführen. Claras Einnahmen sind dementsprechend geringer als erhofft, die Ausgaben grösser als erwartet.

1832

Im Februar erreichen sie schliesslich Paris. Hier muss sich Clara zunächst einmal vorstellen, ihr Talent und ihre Virtuosität beweisen. Das gelingt ihr auch, mit Vorträgen auf alten klapprigen Instrumenten in »Salonkonzerten« ohne Honorar, aber ihr grosses Konzert findet erst am 9. April statt. Der Klavierbauer Sébastien Érard stellt ihr einen seiner Flügel zur Verfügung, endlich ein schönes Instrument, das allerdings »schwer geht«. Guter Erfolg vor nur wenigen Besuchern, weil in Paris eine schlimme Cholera-Epidemie herrscht und die Leute sich vor Ansteckung fürchten.

Berühmt ist Clara jetzt auch in Paris. Wichtige Beziehungen werden angeknüpft: Meyerbeer, vor allem Kalkbrenner, arriviert als Virtuose, Komponist, Pädagoge, reich und einflussreich, ist sehr von ihr eingenommen. Chopin zeigt sich zurückhaltend, obwohl er sie als grosse Künstlerin anerkennt. Felix Mendelssohn ist enthusiastisch, wird immer ihr Freund bleiben. Auch mit Franz Liszt entwickelt sich eine Freundschaft, obwohl Clara wie auch ihr Vater seine theatralischen Auftritte nicht leiden können, bei denen es nie ohne zerrissene Saiten zugeht.

Bei all den Anstrengungen der Konzertreise findet Clara noch Zeit zum Komponieren ihrer witzigen neun Caprices en forme de Valse pour le Piano [op. 2].

Im April kommen die Wiecks zurück nach Leipzig.

1833

Vom Scharlach erholt sich Clara schnell und nimmt ihre Konzert-Tourneen wieder auf. Der Vater widmet sich von jetzt an ausschliesslich der Karriere seiner Tochter, das Musikaliengeschäft ist geschlossen. Clara konzertiert vor allem in Norddeutschland in diesen ersten Jahren, mit etwa 15 Auftritten pro Saison.

Clara Wieck und Robert Schumann schreiben sich romantische Briefe, im Stil verliebter Flirts, unschuldig, vielleicht vor dem Vater noch verborgen, aber nicht vor der Stiefmutter Clementine, wohl auch nicht vor Claras neuer Herzensfreundin Emilie List. Die Tochter des U.S. Botschafters in Leipzig ist ein wenig älter, gibt ihr Englischunterricht.

Robert spielt nicht mehr öffentlich Klavier, denn der Ringfinger seiner rechten Hand ist versteift. Daran ist möglicherweise das Üben unter dem Zwang des Chiroplast schuld, einem von Wieck empfohlenen Apparat, der die Hände in der als ideal erachteten Stellung zur Tastatur halten soll. Er sieht sich seit jeher zum Komponisten berufen und hat auch schon schöne Erfolge zu verzeichnen: seine op. 1, die Abegg Variationen, op. 2, die Papillons, und op. 3, die Caprices sind schon gedruckt. Im Hause der Wiecks wohnt er nicht mehr.

1834

Clara ist wieder auf Reisen, spielt u.a. in Magdeburg und Hannover (Hanover). Ihr Biograph Dieter Kühn (siehe unten) schildert ausführlich, welche Schwierigkeiten sie und ihr Vater meistern müssen: oft lassen sie jetzt einen Flügel im voraus an den nächsten Ort schicken, den Wieck manchmal gleich an einen beeindruckten Zuhörer verkaufen kann; Einladungen zu den Konzerten lassen sie drucken und von einem Lohndiener von Tür zu Tür verteilen. Überall hat Clara Erfolg, wenn auch schwer erkauften.

Die erste Nummer der von Robert Schumann gegründeten Neue Zeitschrift für Musik erscheint im April.

1835

Dies ist ein ereignisreiches Jahr. Robert Schumann verliebt sich in eine Schülerin Wiecks, Ernestine von Fricken, und verlobt sich sogar mit ihr. Clara ist sehr traurig darüber, wie sie Emilie List anvertraut. Im Spätsommer löst Schumann die Verlobung wieder.

Am Vorabend einer neuen Konzertreise im November küssen sich Clara und Robert zum Abschied in einem unbewachten Moment, dann wieder in Zwickau, kurz vor Claras erstem Konzerttermin.

Friedrich Wieck bemerkt, dass seine Tochter mit ihren 16 Jahren und der von ihm nicht besonders geschätzte Robert Schumann, 25 Jahre alt, sich schöne Augen machen. Er kontrolliert Clara auf der Reise jetzt noch stärker als vorher, plant für sie und ihre Zofe jeden Moment seiner Abwesenheit.

Clara Wieck

Clara Wieck im Alter von 16 Jahren
Von einem unbekannten Künstler
Archiv des Schumann-Hauses Zwickau

Am 9. November spielt Clara ihr Erstes Klavierkonzert [op. 7] im Gewandhaus unter der Leitung von Felix Mendelssohn-Bartholdy; das Publikum reagiert freundlich, eher lauwarm. Die später nochmals überarbeitete Version wird jedoch grossen Erfolg haben.

1836

Trotz des Vaters ständiger Überwachung finden Clara und Robert Zeit, sich heimlich zu treffen, mehrmals vor allem im Januar, in Dresden, bis der Vater aus der Zeitung erfährt, dass auch Robert in der Stadt ist. Natürlich mag er seine geliebte Tochter (und die Quelle seines Einkommens) nicht in solch frühem Alter an den unzuverlässigen Tonsetzer Schumann verlieren, gerade als sie als eine der grössten lebenden Klaviervirtuosen von Chopin, Liszt und Mendelssohn-Bartholdy gepriesen wird und an Ansehen gewinnt. Der cholerische Alte reagiert mit der Drohung, er werde Robert erschiessen, wenn er sich Clara nähern sollte.

Am 4. Februar stirbt Roberts geliebte Mutter.

Im April, in Breslau, gibt Clara insgesamt sechs Konzerte, jeweils mit einem anderen Programm. Sie bevorzugt in ihrem Repertoire dieser frühen Phase ihrer Konzerttätigkeit Werke von Mendelssohn, Beethoven, Chopin, Schubert und Bach. Nichts vom grossen Familienkonflikt ist ihr anzumerken.

Frédéric Chopin kommt im September nach Leipzig. Clara spielt ihm zwei ihrer Kompositionen vor, Quatre pièces caractéristiques [op. 5], und Soirées musicales [op. 6], von denen er begeistert ist, wie Berthold Litzmann 1908 in Claras Biographie schreibt.

1837

Im Februar geht es schon wieder auf eine Konzertreise, durch Norddeutschland. Gleich nach Ankunft in Berlin am 8.2. besucht sie ihre Mutter, in Begleitung von Friedrich Wieck. Marianne geht es nicht gut; ihr Mann Adolph Bargiel ist krank und braucht ständige Pflege, wahrscheinlich nach einem Schlaganfall. Ihre finanzielle Lage ist schlecht. Es ist nicht belegt und auch kaum möglich, dass sie von ihrer Tochter Geld bekommt, denn die Einkünfte werden vom alten Wieck verwaltet, und der gibt seiner Tochter nur ab und zu etwas Taschengeld für einen Cacao. Marianne und Friedrich kommen sofort wieder in einen hitzigen Streit, wie in ihren Ehejahren.

Ovationen erhält Clara bei ihrer Soirée am 25. Februar, sie spielt Werke von Bach, Beethoven, Mendelssohn, Chopin u.a. zur vollen Zufriedenheit selbst des kritischen Vaters.

Sechs Konzerte in Berlin, dann drei in Hamburg, mindestens eins in Bremen, alle mit grösstem Beifall - ihre Einnahmen sind erheblich. Jetzt ist sie 17 Jahre alt und schon eine Berühmtheit, eine Diva, eine anerkannt grosse Künstlerin.

Am 13. August spielt Clara in Leipzig einige der Symphonischen Etuden von Robert Schumann (sein op. 13); am 14. verloben sich Clara und Robert, schriftlich. Durch seine beruflichen Erfolge ermutigt, bittet er sie, dem Vater am 13. September, ihrem 19. Geburtstag, einen Brief zu überreichen, in dem er ihn formell um die Hand Claras bittet. Er bringt auch den Mut auf, mit Wieck zu sprechen und schreibt ihr über die Begegnung, dass er nichts als bösen Willen antraf und natürlich eisige Ablehnung.

Zum 8. Oktober hat der Vater in Leipzig ein Konzert angekündigt, gleich danach geht es über Prag (Prague) nach Wien (Vienna). Claras Biographie liest sich wie eine Aufzählung der Konzerte auf Tournée, überall wieder Erfolge, in den höchsten Tönen beschrieben.

1838

Vier Monate bleiben die Wiecks in Wien, und hier feiert Clara Triumphe. Die f-moll Sonate Beethovens, sein op. 2, spielt sie hinreissend, kraftvoll wie immer, wohl etwas schneller als man es gewohnt ist. Franz Grillparzer schreibt darüber ein Gedicht, in dem er sich auch über die Kritiker lustig macht. Sie gibt sechs Konzerte aus ihrem unerschöpflichen Repertoire: die Appassionata, Beethovens op. 57, ihren eigenen Hexentanz [op. 5-1], Werke von Chopin, von Mendelssohn, die Symphonischen Etuden von Schumann.

Clara Wieck

Clara Wieck 1838
Lithographie von Andreas Staub
Robert-Schumann-Haus Zwickau

Vom Kaiser von Österreich, Ferdinand I, erhält Clara Wieck den Titel »Königliche und Kaiserliche Hofvirtuosin«. Sie komponiert eine Erinnerung an Wien [op. 9], die Haydns Kaiserhymne zum Thema nimmt.

Ihre Liebesbriefe schreiben sich Clara und Robert immer noch im Geheimen. Die Kontrolle und Bevormundung durch ihren Vater wird Clara unerträglich.

1839

Friedrich Wieck schreibt seiner Frau, dass er die Söhne Alwin, 16 Jahre alt, und Gustav, 15, nicht mehr sehen wolle, solange aus ihnen nichts Ordentliches geworden sei.

Zum ersten Mal geht Clara allein auf eine Konzertreise, nach Paris, d.h. ohne ihren Vater, aber immerhin begleitet von einer ihr nicht besonders sympathischen Französin, die er angestellt hat. Alles muss sie jetzt alleine besorgen, und das gelingt ihr auch mit dem Schwung und der Dynamik, die sie am Klavier zeigt. Auftritte in Nürnberg (Nurnburg), in Ansbach, in Stuttgart (Stuttgardt) und Karlsruhe (Carlsruhe), mit grossen Erfolgen.

Endlich in Paris! Der Vater schreibt ihr unfreundliche Briefe voller Vorwürfe, und so muss sie auch noch diesen psychischen Druck ertragen. Aber sie bekommt Hilfe von vielen Seiten, z.B. von ihrer Freundin Emilie und neuen Bekanntschaften. Die Firma Érard stellt ihr wieder ihre (schwergängigen) Flügel zur Verfügung, für das Hotel und natürlich auch für ihre Konzerte.

Paris liegt ihr zu Füssen. Ihre Konzerte und Soirées sind grosse Ereignisse. Clara und ihre neue Bekannte Henriette Reichmann, die bei ihr Klavierstunden nimmt und zu ihrer Freundin wird, ziehen mit Emilie List nach Bougival, einem Vorort von Paris, der schon mit der »Dampfbahn« zu erreichen ist, wegen der ländlichen Stille und um Geld zu sparen. Mehrmals bittet sie Robert, doch zu ihnen zu kommen, aber er geht darauf nicht ein. Sie schreibt versöhnliche Briefe an den Vater, und als Robert sie drängt, notfalls einen Gerichtsbescheid zu suchen, damit sie heiraten könnten, bittet sie ihn davon abzusehen, um den Vater nicht zu kränken.

Robert hat keine Geduld mehr und reicht am 15. Juni beim Landgericht Leipzig ein Gesuch ein, Clara und ihm den offiziellen Ehekonsens zu geben. Natürlich erfährt der alte Wieck davon.

Mitte August verlässt Clara Paris. Sie kommt zu einem vom Gericht angeordneten Versöhnungstermin, bei dem nur die Gründe der Petition von Schumann zu Protokoll gegeben werden, weil Friedrich Wieck nicht zur Verhandlung erscheint. Danach will sie nach Berlin fahren und dort bei ihrer Mutter Marianne Bargiel wohnen, aber vor der Abreise geht sie zum väterlichen Haus, um (vielleicht ein Vorwand) einen Mantel zu holen. Der Vater lässt ihr an der Tür vom Dienstmädchen sagen, er kenne keine Mademoiselle Wieck, und lässt sie nicht ins Haus.

Im Oktober treffen sich Clara, Robert und Friedrich Wieck nochmals zu einem vom Gericht angeordneten Termin und dabei nennt der Vater ein paar Bedingungen, die ihn eventuell dazu bringen könnten, einer Ehe der beiden zuzustimmen. Alle der darin erwähnten Punkte haben mit Geld zu tun, mit Claras Verpflichtungen ihm gegenüber, hässlich und verletzend. Sie ist jetzt auch davon überzeugt, dass das Gericht eingreifen muss.

Bei der Mutter feiern Clara und Robert das Weihnachtfest.

1840

In diesem Jahr komponiert Robert mehr als hundert Lieder. Als Komponist ist er jetzt weithin anerkannt, er ist ein nachgewiesen wohlhabender Mann, sein Einkommen ist völlig gesichert. Im Februar wird ihm der Doctor honoris causa der Universität Jena verliehen.

Am 1. August gibt das Gericht dem Gesuch Robert Schumanns statt und erlaubt die Eheschliessung mit Clara Wieck.

Möglichst bald soll geheiratet werden, aber Clara gibt vorher noch ein paar Konzerte, ihre letzten unter dem Namen Wieck: zuerst in Jena, dann im kleinen Gotha vor tausend Besuchern, zuletzt in Weimar vor der Kaiserin von Russland und ihrem adligen Gefolge.

Nach dem üblichen Aufgebot von vier Wochen findet die Trauung am 12. September in der Leipziger Nicolai-Kirche statt. Am nächsten Tag feiert Clara Wieck-Schumann ihren 21. Geburtstag.

1841

Szenen häuslichen Glücks in der neuen Wohnung in Leipzig, Clara mit neuen, ungewohnten Pflichten. Genaue, manchmal peinliche Auskünfte über das Zusammenleben gibt das gemeinsam geführte »Ehetagebuch«. Der Hausherr bestimmt. Clara darf nicht Klavier spielen, wenn Robert komponiert; er arbeitet an der ersten Fassung der Symphonie, die später als op. 120 veröffentlicht wird. Eigentlich übernimmt er die Rolle ihres Vaters als Tutor, gibt ihr Unterricht über den Aufbau der Fuge, über Kontrapunkt, über die Interpretation der Werke in ihrem Repertoire. Konzerteinladungen werden abgelehnt, erst am 31. März spielt sie wieder, in Leipzigs Gewandhaus, sie steht zum ersten Mal als Clara Schumann auf dem Programm.

Das Komponieren gibt Clara nicht auf; Robert ist von ihren Liedern so angetan, dass er drei davon mit eigenen als ihr gemeinsames Werk veröffentlicht, sein op. 37, ihr [op. 12].

Clara will ihren Flügel aus dem väterlichen Haus haben, der Vater gibt unter Druck endlich nach, fordert aber eine unverschämte Summe für den Transport die paar Strassen von der Grimmaischen Gasse zur Inselstrasse.

Am 1. September kommt Marie zur Welt, das erste Kind von Clara und Robert.

1842

Langsam und allmählich fängt Clara wieder an zu konzertieren; sie hat sich darauf gefreut und die junge Familie kann ihre Einnahmen gut brauchen. Im Februar fährt sie nach Hamburg, von Robert begleitet, dann schmerzhafte Trennung, sie reist alleine nach Kopenhagen (Copenhagen) weiter. Die kleine Marie ist in der Obhut einer Verwandten.

In Kopenhagen lernt sie den Poeten und Märchendichter Hans Christian Andersen kennen, von dessen Gedichten Robert schon einige vertont hat. Andersen besucht alle drei ihrer Konzerte und ist begeistert von ihr und ihrem Vortrag.

1843

Vater Friedrich Wieck wohnt jetzt in Dresden und lädt Clara und Robert zu einer Aussprache ein, offensichtlich wünscht er eine Aussöhnung mit den beiden inzwischen weltbekannten Künstlern. Im Februar treffen sie sich ohne böse Worte.

Am 25. April wird wieder ein Mädchen geboren, Elise. Bald danach nimmt Clara ihre Klavierübungen und -studien energisch wieder auf.

Kurzer Besuch von Fanny Hensel und ihrem Mann Wilhelm. Sie ist die Schwester von Felix Mendelssohn-Bartholdy, 12 Jahre älter als Clara, bekannt als hervorragende Konzertpianistin und Komponistin. Äusserst freundliche Gespräche ohne kollegialen Neid. Leider steht Fanny im Schatten ihres berühmten Bruders.

1844

Im Februar reisen die Schumanns nach Russland, eine Tournee, die in St. Petersburg beginnen soll. Schnell ein paar Konzerte unterwegs, zwei im eiskalten Königsberg (Königsburg), drei in Riga, dann die Fahrt durch Litauen im tiefen Schnee, Konzert in Dorpat (etwa 300 km östlich von Riga). Zu diesen Strapazen kommen noch die fast täglichen Vorstellungskonzerte, um Besucher zu werben.

In St. Petersburg werden die Schumanns von Salon zu Salon gereicht, Robert als Prinzgemahl, was ihn depressiv stimmt. Am 3. März das Konzert mit Werken von Liszt, Chopin, Schumann, Mendelssohn, noch drei Konzerte mit ähnlichen Progammen in den folgenden Tagen. Einladung ins Winterpalais, zum Zar. Rauschender Beifall bei jedem Auftritt. Und glänzende Kasse! Der Biograph Dieter Kühn errechnet, dass Clara mehr als das Äquivalent von 100 000 € netto verdient hat.

Weiter Richtung Moskau (Moscow), Umweg über die miserablen Strassen oder Wege zu einem alten Onkel Roberts, einem Chirurg in Tver. Robert ist krank, leidet unter Schwindel, behauptet, er sehe zeitweise nichts mehr. Clara besorgt alles allein in Moskau, feiert ihre gewohnten Triumphe. Robert erholt sich langsam.

Rückkehr ab St. Petersburg per Schiff über Swinemünde nach Stettin; im Mai sind sie wieder zurück in Leipzig.

Robert Schumann fühlt sich krank, hat schreckliche Alpträume, wenn er überhaupt schlafen kann. Er ist enttäuscht, dass er die Stelle Mendelssohns als Direktor des Gewandhauses nicht bekommen hat. Der Freund war auf eigenen Wunsch beurlaubt worden, um nach einem längeren Arbeits- und Erholungsaufenthalt in England und Italien vielleicht der Einladung des preussischen Königs nach Berlin zu folgen.

Robert erhält ein Stellenangebot als Chorleiter in Dresden. Die Schumanns entscheiden sich bald zum Umzug. Am 13. Dezember ist es soweit, nach einer rührenden Abschiedsfeier mit Freunden.

1845

Am 11. März wird Julie geboren, die dritte Tochter.

Clara Schumann mit Tochter Marie

Clara Schumann und ihre Tochter Marie, geb. 1840
Robert-Schumann-Haus Zwickau

Die Dresdner Gesellschaft ist anscheinend weniger an Musik interessiert als die Schumanns es von Leipzig gewohnt sind. Richard Wagner ist hier Hofkapellmeister, aber er ist kein besonderer Freund der Familie. Clara freut sich, die berühmte Opernsängerin Wilhelmine Schröder-Devrient wieder zu treffen. Ein alter Freund ist glücklicherweise auch hier, Carl Gustav Carus, Professor für Chirurgie und Geburtshilfe und Leibarzt des Königs von Sachsen.

Roberts zerrüttete Nerven plagen ihn und die Familie immer öfter, aber das wird als Überanstrengung gedeutet.

Claras Werke [op. 14], [op. 15] und [op. 16] werden von Breitkopf & Härtel (Leipzig) veröffentlicht.

1846

Emil, das vierte Kind und der erste Sohn des Paares, kommt am 8. Februar zur Welt.

Im November wieder eine längere Konzertreise, nach Wien (Vienna), Brünn (Brunn) und Prag (Prague). Robert und die beiden älteren Mädchen kommen mit, Julie und Emil werden in Dresden von einer Kinderschwester versorgt. In Wien hat Clara nur einen mässigen Erfolg, obwohl ihre Interpretation von Beethovens G-dur Konzert sehr gut beim Publikum ankommt. Sie gibt noch mehrere Konzerte, spielt auch Schumanns a-moll Konzert, wieder nur mit kühler Aufnahme.

Bei den beiden letzten Auftritten Claras in Wien singt die gefeierte Jenny Lind auch Lieder von Schumann, Clara spielt die Appassionata von Beethoven hinreissend, und diese Konzerte sind so schöne Erfolge, dass die ganze Reise vom Ertrag bezahlt werden kann.

1847

Erst Anfang Februar kommen die Schumanns zurück nach Dresden, aber nur einige Wochen danach geht es wieder ab, diesmal nach Berlin, zur Aufführung von Roberts Oratorium Das Paradies und die Peri, sein op. 50.

Clara und Robert Schumann

Clara und Robert Schumann, Wien 1847
Zeichnung von E. Kaiser, Stadtarchiv Bonn

Das ist ein schreckliches Jahr: Fanny Hensel, geb. Mendelssohn, stirbt im Mai, mit nur 41 Jahren; Emil, das kleine Söhnchen der Schumanns, stirbt im Juli an einer »Drüsenerkrankung«; Felix Mendelssohn-Bartholdy, der treue Freund, folgt seiner Schwester Fanny und stirbt im November im Alter von nur 38 Jahren.

1848

Am 20. Januar wird das fünfte Kind der Schumanns geboren, der zweite Junge, und erhält den Namen Ludwig.

Ein paar Abendkonzerte Claras mit Wilhelmine Devrient. Das Leben in Dresden wird zunächst nur wenig gestört von Nachrichten der Revolution in Paris, von Aufständen in Wien und mehreren Städten Deutschlands unter der Parole »Einigkeit und Freiheit«. Ein freies Land soll Deutschland werden, kein Bund mehr unter der Autorität von Fürsten. Bei den Unruhen ist an Konzertreisen nicht zu denken.

1849

Clara ist im siebten Monat schwanger, als in Dresden die Mairevolution ausbricht. Robert wird von den Aufständischen gesucht, er soll an den Kämpfen teilnehmen; darauf flüchten sie in einen Vorort, holen die Kinder am nächsten Tag. Clara findet mit den Kindern während der Unruhen Zuflucht im Schloss Maxen 8 km südlich von Dresden bei dem Schlossherrn, einem guten Bekannten. Robert kehrt zurück nach Dresden.

Clara und Robert bekommen ihr sechstes Kind am 16. Juli, das Söhnchen Ferdinand. Einer der Taufpaten ist Franz Schubert (nicht der Komponist), Violinist der Hofkapelle Dresden.

1850

Ferdinand Hiller, Städtischer Musikdirektor in Düsseldorf, kündigt zum 1. April 1850, weil er nach Köln (Cologne) gehen möchte. Er fragt bei seinem geschätzten Kollegen Robert Schumann an, ob er nicht seine Stelle übernehmen wolle, er würde ihn empfehlen. 700 Taler pro Jahr sind ein gutes Gehalt, aber die Musiker des Stadtorchesters seien renitent und unbotmässig, heisst es. Robert stellt Hiller die seltsame Frage, ob es in der Nähe Düsseldorfs eine Irrenanstalt gebe, denn er müsse sich vor »melancholischen Eindrücken« hüten. Clara sieht eigentlich nur Vorteile im Umzug nach Düsseldorf.

Clara und Robert Schumann

Clara und Robert Schumann, 1850
Robert-Schumann-Haus Zwickau

Eine Konzertreise, mit Robert, nach Leipzig, Hamburg und Bremen in Februar und März, kurz darauf der Entschluss, das Düsseldorfer Angebot anzunehmen. Im Juni fahren sie zur Premiere von Roberts Oper Genoveva, op. 81, nach Leipzig, im Juli gibt Clara dort noch einmal eine Reihe von Konzerten.

Am 1. September wird die Familie Schumann herzlichst am Bahnhof Düsseldorf von den Honoratioren der Stadt mit Musik empfangen. Die Begrüssungszeremonien gehen weiter, fast eine Woche lang, bevor Robert endlich mit der Orchester- und Chorarbeit anfangen kann.

Das erste Konzert in der neuen Stellung dirigiert Robert Schumann am 24. Oktober; Clara spielt Mendelssohns Klavierkonzert Nr. 1 und den beiden wird begeistert applaudiert.

1851

Robert hat Schwierigkeiten, hauptsächlich mit dem Chor. Die Sänger »betragen sich wie die Schulkinder« schreibt Clara, aber sie weiss, dass ihr Mann kein guter Dirigent ist, sich auch nicht durchsetzen kann.

In der prächtigen Königsallee finden sie eine Wohnung, die ihnen gefällt, mit einem grossen Salon. Vor Freunden und mit Freunden wird hier viel musiziert.

Der Ärger mit Chor und Orchester weitet sich aus. Eine neue Beschwerde: zu viele Werke Schumanns würden aufgeführt. Das Direktorium sucht zu vermitteln, dringend, weil die Zahl der Konzertabonnenten deutlich zurückgegangen ist.

Am 1. Dezember wird Eugenie geboren, das siebte Kind der Schumanns.

1852

Dieses Jahr ist geprägt von Roberts schlechtem Befinden, seinem alten «Nervenleiden» mit akustischen Halluzinationen, aber auch die starke Clara erlebt schlimme Zeiten. Kurz vor ihrem 33. Geburtstag hat sie eine Fehlgeburt.

Die Schumann müssen schon wieder umziehen, sie nehmen eine grosse Wohnung in der Bilker Strasse.

Mitglieder des Musikvereins verlangen von Robert schriftlich, seine Tätigkeit als Dirigent, praktisch also seine Stelle, aufzugeben.

1853

Clara komponiert wieder, Variationen über ein Thema Schumanns [op. 20] und Romanzen für Pianoforte [op. 21], dann wieder Romanzen [op. 22] und Lieder [op. 23]. Nach diesem Jahr werden von P.-A. Koch im Verzeichnis ihrer Werke von 1991 nur noch drei Kompositionen angeführt, ohne Opuszahl, Romanzen [WoO 29, 1856] und Kadenzen zu Beethoven und Mozart [WoO 30, 1868? und WoO 31, Jahr nicht bekannt].

Der junge Johannes Brahms, zwanzig Jahre alt, besucht die Schumanns in Düsseldorf im September. Er kommt mit der Empfehlung von Joseph Joachim, dem virtuosen Geiger, den sie noch aus Leipzig kennen. Brahms spielt seine C-dur Klaviersonate, op. 1, und die Stimmung im Hause Schumann wird freudig. »Ein Genius« steht über ihn im Haushaltsbuch Claras, »ein Berufener« schreibt Robert in der Neue Zeitschrift für Musik. Brahms bleibt vier Wochen in Düsseldorf, kommt täglich zum Musizieren, auch vor vielen anderen Besuchern.

Clara konzertiert wieder, meistens jedoch in kleinem Rahmen. Im November kündigt Robert seine Stelle als Musikdirektor. Die Stadt zahlt ihm allerdings großzügigerweise sein Gehalt noch für ein weiteres Jahr.

Friedrich Wieck

Friedrich Wieck 1853, im Alter von 68 Jahren
Robert-Schumann-Haus Zwickau

1853

Auf einer Konzertreise durch Holland, nach Den Haag (The Hague), Rotterdam, Amsterdam u.a., auf der Clara viele Werke Roberts vorträgt und auch die beliebte und publikumswirksame Appassionata von Beethoven, kommt es zu Ovationen für beide. Kurz vor Weihnachten sind sie wieder zurück bei den Kindern.

1854

Seit etwa 10 Jahren schon leidet Robert an Schwindel, Kopfweh und Halluzinationen des Gehörs, »Nervenaffektationen«, aber jetzt kommen diese Beschwerden häufiger, werden schlimmer und dauern länger. Clara ist wieder schwanger und ihre Aufzeichnungen im Haushaltsbuch berichten über die Qualen dieser Zeit für die ganze Familie.

Am 20. Februar bezeichnet ein Freund zum ersten Mal Robert Schumann als »geisteskrank«. Am 27. Februar, dem Rosenmontag, verlässt Robert unbemerkt die Wohnung in Schlafrock und Pantoffeln, geht bis zur Schiffsbrücke über den Rhein, wirft in etwa der Mitte des Flusses seinen Ehering ins Wasser und stürzt sich dann selbst ins kalte Wasser. Er wird vom Brückenmeister und zwei beherzten Männern gerettet und in die Wohnung zurückgebracht.

Roberts Versuch, sich das Leben zu nehmen, kam möglicherweise nach einer Auseinandersetzung mit Clara, die ihm am Vorabend gesagt haben soll, dass sie dieses Leben nicht weiter aushalten könne, wie ihr Biograph Dieter Kühn vermutet.

Clara kann Roberts armseligen Zustand nicht ertragen und flieht zu einer Freundin, ohne die Kinder, aber anscheinend tut sie das auch auf den Rat des Hausarztes, zu Roberts und ihrem Wohl. Brahms kommt nach Düsseldorf, um ihr beizustehen. Am 4. März wird Robert Schumann auf eigenen Wunsch in die Anstalt für die Behandlung und Pflege von Gemütskranken und Irren in Endenich bei Bonn eingeliefert. Seit seinem Selbstmordversuch hat Clara ihn nicht mehr gesehen.

Das Haus in Endenich ist keine geschlossene Anstalt, man hält die Patienten in einer möglichst ruhigen und etwa ihrer bisherigen Lebensführung entsprechenden Umgebung. Allerdings soll Clara ihren Mann nicht besuchen, damit ihm die Aufregung erspart bleibe. Robert weiss also nichts von der Geburt seines Sohnes Felix am 11. Juni, er erfährt es von niemandem, auch nicht von ihr, und er wird ihn nie sehen.

Robert wird öfter von Freunden besucht, z.B. von Johannes Brahms und Bettina von Arnim, aber nie von Clara. Sie fährt auch nicht nach Endenich, um sich bei den Ärzten nach seinem Befinden zu erkundigen. Erst im September schreiben sie sich wieder.

Es existieren keine Beweise dafür, dass die Beziehung zwischen Johannes Brahms, dem jungen begabten Komponisten, und Clara Schumann, der 14 Jahre älteren berühmten Klaviervirtuosin, über eine schwärmerische Liebe hinausging, und daher sollte man solche Spekulationen verwerfen, wenn er auch bei ihr wohnt und ihr Briefe voll Verlangen schreibt.

Clara bereitet sich intensiv auf neue Konzertreisen vor, um wieder in das Milieu zu kommen, in dem sie sich sicher und bestätigt fühlt. Im Oktober geht sie auf Tournee, gibt insgesamt 22 Konzerte in Leipzig, Weimar, Hamburg und Berlin mit vielen Werken von Robert. Mehrere der Konzerte bestreitet sie mit Joseph Joachim, dem Bariton Julius Stockhausen und anderen Künstlern.

1855

Sie arbeitet ohne Unterlass, bricht im Januar schon wieder zu einer Konzertreise nach Holland auf, dann im April nach Hamburg und Hannover. Kurze Pausen nur in Düsseldorf, in denen sie, wie sie schreibt, auf ein Zeichen von Robert hofft, dass sie zu ihm kommen solle.

Robert Schumanns Zustand wird schlechter, die Ärzte in Endenich schreiben ihr davon. Clara plant weitere Reisen; Joseph Joachim und Johannes Brahms versuchen sie von ihrem »ehrgeizigen Abhetzen« abzubringen. Ihre finanzielle Situation (wie geschätzt von Dieter Kühn) ist sehr gut und damit erscheint ihre »Pflicht« gegenüber der Familie eigentlich nur als Vorwand.

Im Juli gibt sie ein Konzert in Bad Ems bei Koblenz, dann wandert sie mit Johannes und ihrer Haushälterin ab Koblenz den Rhein entlang bis Heidelberg. Kaum zurück in Düsseldorf fährt sie schon wieder ab nach Berlin. Joachim, Brahms, der Verleger Härtel und noch einige vermögende Freunde möchten ihr eine Art Stipendium von jährlich 700 bis 800 Talern zukommen lassen, um sie vor allem von der als gefährlich angesehenen Reise nach England abzuhalten. Sie antwortet nicht auf das Angebot.

Die Schumann Kinder

Die Schumann Kinder 1855
(von li. nach re.): Ludwig (geb. 1848), Marie (1841), Felix (1854), Elise (1843),
Ferdinand (1849), Eugenie (1851). Julie (1845) fehlt auf dem Bild.
Robert-Schumann-Haus Zwickau.

1856

Wien, Prag, Pest (Pesh, Ungarn), Stationen auf Claras nächster Konzertreise im Frühjahr, wieder Ovationen nach Programmen mit Werken von Schumann, Brahms und Beethoven.

Kurze Pause in Düsseldorf, dann am 8. April Abfahrt nach London. Sie spielt Mendelssohn, Weber, Schumann, der Applaus ist sicher und kommt mit dem gewohnten Enthusiasmus. Volle 26 Konzerte mit fabelhaftem Ertrag! Am 6. Juli ist sie wieder in Düsseldorf, am 14. trifft sie in Bonn den Eigentümer und Leiter der Anstalt in Endenich, Dr. Richarz, der ihr vom Zustand Roberts berichtet.

Sie sieht Robert am 27. Juli, zum ersten Mal nach seinem Selbstmordversuch vor zweieinhalb Jahren. Es ist nicht sicher, dass er sie erkennt, er umarmt sie, lächelt dabei, aber er kann nicht mehr sprechen. Sie kommt noch zweimal an den beiden folgenden Tagen.

Am 29. Juli 1856 nachmittags um 16:00 Uhr stirbt Robert Schumann, allein.

Eine Obduktion wird am 30.7. von Dr. Richarz und Dr. Peters, den Ärzten der Anstalt, durchgeführt, der Befund ist nur deskriptiv und kommt nicht zu einer definitiven Diagnose der Erkrankung Robert Schumanns. Alle erhaltenen Dokumente über seinen Aufenthalt sowie über die Obduktion in Endenich wurden von den Fachärzten Drs. Franz Hermann Franken und Uwe Henrik Peters neuerdings kritisch untersucht, die Ergebnisse 2006 in dem unten aufgeführten Buch veröffentlicht. Resultat: die Diagnose der viel vermuteteten Neurosyphilis ist nicht durch den pathologischen Befund gedeckt und daher nicht aufrecht zu erhalten.

Die Beerdigung Robert Schumanns findet am 31. Juli abends auf dem Alten Friedhof in Bonn statt.

Zwei Wochen nach der Beerdigung gehen Clara verw. Schumann und Johannes Brahms auf eine Erholungsreise nach Süddeutschland und in die Schweiz; sie wird begleitet von den kleinen Söhnen Ludwig und Ferdinand, er von seiner Schwester Elise.

Die Kinder werden im Laufe dieses Schicksalsjahres an verschiedenen Orten untergebracht: Ferdinand und Ludwig kommen in ein Internat bei Jena; Marie und Elise sind in Pension in Leipzig; Julie wohnt bei Grossmutter Bargiel in Berlin; nur die beiden jüngsten Kinder, Eugenie und Felix, bleiben in Düsseldorf.

Im Oktober ist Clara Schumann wieder auf Reisen, zu Konzerten in Dänemark.

Sie schreibt ihre letzte Komposition, die Romanze für Clavier in h-moll [WoO29].

1857

Konzertreise nach England, viele andere werden noch folgen. Das Publikum ist diesmal zuerst recht kühl, wird sich aber dann für Clara Schumann begeistern. Werke von Mendelssohn, in England besonders geschätzt, Robert Schumann, Beethoven stehen auf ihrem Programm, wenige eigene Schöpfungen. Die Einnahmen sind, dem Empfang entsprechend, grossartig.

Clara Schumann

Clara Schumann im Alter von 38 Jahren
Franz Hanfstaengl, Robert-Schumann-Haus Zwickau

Umzug nach Berlin.

Im November klagt sie über starke rheumatische Schmerzen im linken Arm, sie muss zeitweise den Arm in einer Schlinge tragen, nimmt Opium als Schmerzmittel: wohl eine Folge der Überarbeitung.

1858

Trotz Schmerzen geht Clara Schumann wieder auf Reisen, durch Süddeutschland mit mageren Einnahmen, dann durch die Schweiz; sie konzertiert in insgesamt mehr als einem Dutzend Städten.

Zuhause in Berlin wird sie von Johannes Brahms, dann von Wilhelmine Schröder-Devrient besucht. Die berühmte Sängerin hat ihre Stimme verloren und lebt nach ihrer Heirat von der Welt abgeschieden in Livland. Clara befürchtet, dass es ihr selbst mit zunehmendem Alter auch so gehen könne.

Immer noch mehr Konzerte, Köln, Aachen, Krefeld. Die Zahl der Termine ist so gross, dass sie sich nicht mehr glaubwürdig auf ihre finanzielle Verantwortung, ihre Pflicht, berufen kann. Im Umgang vor allem mit ihren heranwachsenden Kindern wird die Persönlichkeit Claras sehr deutlich, sie ist stark, auch hart, tatkräftig, eigenwillig und selbstbezogen, erscheint aber nicht eitel.

1861

Auf den vorsichtigen Einwand von Johannes Brahms, dass Clara wohl zu viele Konzerte gebe, anwortet sie in der gewohnten Art: ausser den beiden Jungen Ferdinand und Ludwig sind fünf Kinder jetzt bei ihr in einer grossen Wohnung in Berlin, alle brauchen sie viel Geld, allein schon für den Musikunterricht. Für Marie, die Älteste, kann das nicht zutreffen, denn sie arbeitet ohne Unterlass für ihre Mutter.

Clara braucht sich keine finanziellen Sorgen zu machen und das weiss sie auch, obwohl sie sich besorgt zeigt. Brahms lässt sich von ihren Klagen beeindrucken und schickt ihr 200 Taler, also etwa 8000 €.

1862

Konzertreise nach Paris, Auftritte im Conservatoire, dann im Salon Érard zusammen mit dem Bariton Julius Stockhausen und der Pianistin und Sängerin Pauline Viardot. Gespielt werden hauptsächlich Werke von Robert Schumann, Schubert, Bach, Beethoven, Brahms, eigene Werke präsentiert Clara kaum mehr.

Clara kauft ein teures Häuschen im Baden-Badener Vorort Lichtental.

1863

Wieder eine Reise nach Paris, finanziell kein Erfolg: »viel Ruhm, kein Geld«.

Sie verlässt Berlin und zieht in ihr kleines Haus in Baden-Baden.

Clara schreibt ihrer Tochter Elise von einer Liebelei mit dem Komponisten Theodor Kirchner (geb. 1823), der in seinem Äusseren ihrem verstorbenen Mann ähnelt aber Robert Schumanns Epigone bleibt.

1864

Konzertreise nach Russland, St. Petersburg und Moskau (Moscow), von Februar bis Mai, mit ihrer Tochter Marie. Clara gibt insgesamt 22 Konzerte auf der Route, die sie mit ihrem Mann schon zwanzig Jahre vorher bereist hat. Robert Schumanns Werke sind in Russland jetzt weit bekannt und geschätzt. Die Kritik wirft ihr vor, dass sie nur wenige seiner Werke spiele und überhaupt zu viele »abgedroschene Stücke« auf dem Programm habe. Sie trifft den berühmten Piano-Virtuosen und Komponisten Anton Rubinstein (geb. 1829), der sich liebevoll um sie kümmert.

Das Leben in Baden-Baden ist kulturell sehr interessant, und Clara nimmt gerne daran teil, nota bene ausserhalb der Konzertsaison. Berühmte Namen: Brahms, Turgenjew, Storm, Rubinstein, Viardot, Feuerbach, Clara Schumann mitten drin.

1865

Jetzt kommt die vierte Konzerttournee nach London. Am 1. Juni ein erstes Konzert im Crystal Palace, vor 4000 Zuhörern (!), mit Roberts a-moll Konzert (sein op. 54). Sie schreibt Brahms von der freundlichen Aufnahme und wie sehr das Publikum die Werke Schumanns bewundert, aber auch davon, dass aller Idealismus dem »business« geopfert werde.

Sie wolle jedes Jahr nach England kommen, um ihre Familie standesgemäss versorgen zu können - der alte Spruch.

1867

Im Frühjahr wieder in London, mit Joseph Joachim und seiner Frau. Clara geht es ausgesprochen gut, obwohl dieses Mal die Einnahmen nicht besonders hoch sind.

Sohn Ludwig, 18 Jahre alt, beginnt Clara Sorgen zu machen. Er ist in jeder Hinsicht unzuverlässig, melancholisch und spricht manchmal tagelang kein Wort. Eine Buchhändler-Lehre hält er nicht durch.

1869

Clara ist im Frühling schon zum siebten Mal in England.

Claras Tochter Julie, eine sehr hübsche junge Frau von 24 Jahren, heiratet einen italienischen Grafen. Sie ist schon seit längerer Zeit insgeheim der Schwarm von Johannes Brahms.

Julie Schumann

Julie Schumann, geb. 1845, im Alter von 21 Jahren
Robert-Schumann-Haus Zwickau

1870

Sohn Ferdinand muss im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 als Soldat dienen, kommt körperlich unversehrt, aber Morphium-, bzw. Sulfonal-süchtig wieder zurück. Er ist nicht in der Lage, für seine grosse Familie zu sorgen. Clara Schumann übernimmt diese Aufgabe nach ihrer Art, verteilt die Kinder meist bei Verwandten und zahlt für sie; eine der Enkelinnen, Julie, nimmt sie zeitweise zu sich.

Sohn Ludwig leidet an Verfolgungswahn und wird völlig unzugänglich. Sein Befinden und sein Benehmen haben sich so stark verschlechtert, dass Clara ihn in eine private Heilanstalt bei Pirna einweisen lässt. Bei den damals spärlichen Möglichkeiten einer Therapie wird sein Zustand immer noch schlimmer, so dass er schliesslich in die Landesanstalt für unheilbar Geisteskranke in Colditz bei Dresden kommt, das reine Gefängnis mit unmenschlichen sogenannten Beruhigungsmethoden, wie Luwigs Bruder Ferdinand und seine Schwester Eugenie dringlich berichten. Die Diagnose ist Schizophrenie. Seine Mutter kommt nicht nach Colditz.

1872

Julie stirbt im Alter von 27 Jahren an Tuberkulose, während ihrer dritten Schwangerschaft.

Joseph Joachim möchte, dass Clara Schumann als Lehrerin an die von ihm gegründete Musikhochschule in Berlin kommt, aber sie stellt unerhörte Gehaltsforderungen und Arbeitsbedingungen, die er nicht annehmen kann.

Claras Mutter Marianne Bargiel stirbt im März nach einer längeren Krankheit im Alter von 75 Jahren. Zu dieser Zeit gibt Clara eine Reihe von Konzerten in London.

Ein Kreis von wohlhabenden Freunden aus Köln (Cologne) macht Clara Schumann ein aussergewöhnliches Geschenk: sie erhält ein Aktienpaket der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft im Wert von 30 000 Talern, einer Summe, die sie zu einer reichen Frau machen würde. Abgesehen davon bezieht sie natürlich Einkünfte von ihren eigenen Kompositionen, dazu die Honorarien einer Diva. Ihre hektische Konzerttätigkeit gibt sie trotzdem nicht auf, auch nicht die hochbezahlten Klavierstunden.

Tochter Eugenie, 20 Jahre alt und ausgebildete Pianistin, kommt zur Mutter zurück, um sich mit Marie um den Haushalt zu kümmern und bei den Besorgungen vor und während der Konzertreisen zu helfen.

1873

Vater Friedrich Wieck stirbt am 6. Oktober mit 88 Jahren in Loschwitz bei Dresden.

Im November ziehen Clara, Marie und Eugenie nach Berlin, in eine schöne grosse Wohnung. (Das Haus in Baden-Baden wird später verkauft, mit Verlust.) Schon eine Woche danach geht Clara auf eine Konzertreise nach Norddeutschland, muss aber wegen starker Schmerzen, diesmal im rechten Unterarm, weitere Engagements nach drei Konzerten abbrechen; möglicherweise leidet sie an einer Sehnenscheidenentzündung, vom Handgelenk ausstrahlend.

1875

Die Erkrankung erzwingt eine Pause in Claras ehrgeiziger und erschöpfender Konzerttätigkeit. Sie bekommt nochmals einen Ruf als Dozentin an der Berliner Hochschule für Musik, ein Angebot, das sie wieder ablehnt.

1876

Die Schmerzen sind zeitweise weg oder wenigstens zu ertragen. Also: im Frühling nach London, wie gewöhnlich. Konzerte auf dem Kontinent auf der Hin- und der Rückreise.

Erstmals besucht Clara ihren Sohn Ludwig in Colditz. Er bittet sie inständig, ihn aus diesem Gefängnis zu befreien. Sie sagt, sie könne das nicht.

Zu Beginn der Saison im Herbst wieder auf Reisen.

1877

Clara Schumann trägt sich immer öfter mit dem Gedanken, das für sie kulturell sterile Berlin zu verlassen. Wie immer gibt sie Konzert nach Konzert, obwohl die Schmerzen im Arm und in der Schulter wieder zunehmen.

1878

Clara wird die Stelle einer Lehrerin für Klavier am neu gegründeten Hoch´schen Conservatorium in Frankfurt/Main angeboten. Man kommt ihr sehr entgegen, mit grosszügigem Urlaub, mit dem Versprechen, dass sie ihre Stunden auch zuhause geben kann und dass ihre Töchter Marie und Eugenie als Hilfslehrerinnen angestellt werden. Sie sagt zu, obwohl das Gehalt von 2000 Talern pro Jahr ihr eigentlich zu gering erscheint; ein wichtiger Grund für die Annahme der Stelle ist die Nähe des Taunus.

Clara Schumann

Clara Schumann im Alter von 59 Jahren
Pastell von Franz von Lenbach
Robert-Schumann-Haus Zwickau

Im Mai ist der Umzug nach Frankfurt, in die Myliusstrasse ganz in der Nähe vom Palmengarten.

Claras jüngster Sohn Felix erfreut sie besonders. Er sieht gut aus, ist sehr musikalisch und möchte Geiger werden, aber seine Mutter hat ihm das vor langem schon ausgeredet mit dem Argument, dazu gehöre eine besonders grosse Begabung. Er studiert also Jura in Heidelberg.

Zu Clara Schumanns 50-jährigem Konzertjubiläum gibt ihr das Hoch´sche Conservatorium eine Ehrenfeier und die Stadt Leipzig richtet ihr ein grossartiges Fest mit Lorbeerkranz; sie spielt Roberts Klavierkonzert.

1879

Felix Schumann ist an Lungentuberkulose erkrankt und liegt im Haus der Familie in Frankfurt. Marie kümmert sich um ihn und ist bei ihm in seinen letzten Zügen. Am 18. Februar erliegt er der Krankheit, wie auch seine Schwester Julie sechs Jahre zuvor. Seine Mutter gibt zu dieser Zeit gerade ein Konzert, nicht weit entfernt im Städel Museum.

Clara Schumann und Franz Liszt spielen vierhändig in einem Konzert in Frankfurt, aber Clara findet den Virtuosen wie schon immer »widerlich« in seiner Effekthascherei.

Sie beginnt an der Gesamtausgabe der Werke Robert Schumanns zu arbeiten.

1880

Reise nach England im Frühjahr. Clara Schumann tritt elfmal in London auf, wird herzlichst empfangen und verdient einen grossen Sack voll Geld. Sie wird zum Mitglied der Royal Academy of Music ernannt.

Dann wieder Konzertreisen nach Süddeutschland, Österreich und Ostdeutschland, sie lobt sich selbst für ihre Interpretation von Beethovens 5. Klavierkonzert, op. 73, mit dem wunderbaren 3. Satz.

Sie ist unermüdlich, ununterbrochen auf Reisen in diesem Jahr und finanziell aussergewöhnlich erfolgreich. Zum ersten Mal (nachweislich) erhält sie vom Peters Verlag Tantiemen für Roberts Werke; zu dieser Zeit war die Beteiligung eines Autors oder eines Komponisten am Gewinn der Veröffentlichung seiner Werke nicht üblich.

1886

In den letzten Jahren ist das Gehör der jetzt 67jährigen Clara immer schlechter geworden und sie klagt über die ewigen Schmerzen in Armen und Händen; trotzdem tritt sie immer noch gerne öffentlich auf, spielt nach ihrem eigenen Zeugnis herrlich und hat keinen Grund, sich über ihr Gedächtnis zu beschweren.

Jetzt arbeitet sie am zweiten Teil der Gesamtausgabe von Robert Schumanns Werken, der sogenannten Instruktiven Ausgabe.

1887

Die Gesamtausgabe der Werke von Robert Schumann ist fertig und wird von Breikopf & Härtel in Leipzig veröffentlicht.

Clara Schumann

Clara Schumann, 1888
Robert-Schumann-Haus Zwickau

1889

Zu ihrem siebzigsten Geburtstag wird Clara Schumann die Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft von Kaiser Wilhelm II verliehen.

Johannes Brahms ist mit seinen Erfolgen im Musikleben, als Pianist und Komponist, sehr reich geworden und schickt Clara, wie schon zweimal vorher, einen grossen Betrag. Er wolle ihr mit diesen 15 000 Mark helfen die Kosten zu bestreiten, die ihre Töchter und Enkel ihr bringen. Sie nimmt gerne an aber erwähnt doch, dass sie ein schönes Kapital beiseite gelegt habe.

1891

Am 12. März gibt Clara Schumann ihr Abschiedskonzert im Conservatorium Frankfurt, ihr letzter öffentlicher Auftritt überhaupt. Sie spielt mit einem jungen Kollegen die Haydn-Variationen von Brahms, sein op. 56b, die Version für zwei Klaviere. Noch einmal rauschender, lang andauernder Beifall.

Tochter Eugenie verlässt Frankfurt und zieht nach England.

Claras und Roberts Sohn Ferdinand stirbt am 6. Juni, im Alter von 41 Jahren. Jetzt bleibt ihr noch ein einziger Sohn, Ludwig, der in der Anstalt in Colditz versenkt ist.

Sie gibt weiter Klavierunterricht in ihrem Haus, doch der grössere Teil dieser Arbeit wird von Marie erledigt. Auch besucht sie Konzerte, aber ihr Gehör hat so nachgelassen, dass sie z.B. den Klavierpart im Orchesterkonzert überhaupt nicht mehr wahrnimmt. Vor allem plagen sie auch subjektive akustische Empfindungen wie Brummen, Klingeln, Pfeifen, die heute die Bezeichnung Tinnitus tragen.

Nach einer Lungenentzündung im Winter gibt Clara Schumann den Unterricht am Conservatorium auf.

1893

Sie bewegt sich jetzt oft im Rollstuhl, aber gibt noch regelmässig Privatunterricht am Klavier.

Clara Schumann

Clara Schumann, 1894
Ernst Hanfstaengl
Robert-Schumann-Haus Zwickau

1895

Johannes Brahms und Clara sehen sich im Februar zum letzten Mal; er spielt sein g-moll Klavierquartett, op. 25, mit dem melancholischen Andante.

1896

Im März erleidet Clara Schumann einen Schlaganfall, dann am 10. Mai einen zweiten, schwereren. Sie stirbt am 20. Mai, im Alter von 76 Jahren. Marie und Eugenie und der Enkel Ferdinand sind bei ihr. Brahms kommt sofort aus Bad Ischl nach Frankfurt, zu spät, aber am 24. noch gerade rechtzeitig zum Alten Friedhof in Bonn, wo sie neben ihrem Mann Robert Schumann bestattet wird.

1897

Am 3. April 1897 stirbt auch Johannes Brahms, nur zehn Monate nach seiner geliebten Clara.

 

Clara Schumann musste den Tod von vier Kindern erleben: Emil († 1847), Julie (†1873), Felix († 1879) und Ferdinand († 1891). Ihr Sohn Ludwig starb schliesslich 1899 in der Irrenanstalt Colditz. Ihre überlebenden Töchter sahen alle noch das 20. Jahrhundert: Elise starb 1928, Marie 1929 und Eugenie 1938.

 

Empfohlene Literatur

 

Hermann Appel (Hg.): Robert Schumann in Endenich (1854-1856). Krankenakten, Briefzeugnisse und zeitgenössische Berichte. Schott, Mainz (2006)

Wolfgang Held: Clara und Robert Schumann. Insel Verlag, Frankfurt/Main, 2001

Paul-August Koch: Clara Wieck-Schumann. Kompositionen. Zimmermann, Frankfurt/Main (1991)

Dieter Kühn: Clara Schumann, Klavier. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/Main (1998)

Susanna Reich: Clara Schumann. Piano Virtuoso. Clarion Books, New York (1999); auf Englisch

Monica Steegmann: Clara Schumann. Rowohlt Taschenbuch Verlag. Reinbek (2001)

 

Ich danke freundlichst den Damen und Herren des Schumann-Hauses in Zwickau für Zugang zu Dokumenten und Informationen über Leben und Werk von Clara Wieck-Schumann.